Samstag, 15. Mai 2010

Gibt es eine zweite Chance für den Nationalpark Nordschwarzwald?

In einer sogenannten Pressehintergrundinfo vom 12.05.2010 zum Thema "Wildnis und Wildnisgebiete in Deutschland" hat das Bundesamt für Naturschutz die Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gebeten zu prüfen, ob nicht auch in diesen Ländern geeignete Gebiete vorliegen, die als Nationalpark entwickelt werden können.

Die Bitte des Bundesamts für Naturschutz und damit der Bundesregierung gründet sich auf mehrere Sachverhalte:


So sind die Länder Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz die einzigen größeren Flächenländer in Deutschland, die nach wie vor nicht über einen Nationalpark verfügen. 
Zudem müssen sich die ausführenden Organe der Bundesregierung jetzt ernsthaft darüber Gedanken machen, wie das Ziel der Bundesregierung, wonach im Jahr 2020 mindestens zwei Prozent der Fläche Deutschlands als Wildnis oder Wildnisentwicklunggebiet ausgewiesen sein sollen, konkret umgesetzt wird. Gemäß den Ausführungen des Bundesamts für Naturschutz ist dieses Ziel nur durch die Ausweisung weiterer Nationalparks mit Wildniskernzonen zu erreichen. Die bestehenden Bannwälder und Kernzonen Baden-Württembergs sind als Wildnisgebiete ungeeignet, denn sie sind allesamt kleiner als die für ernsthafte Wildnisgebiete geforderte Mindestgrößte von 500 Hektar.

Die Erfordernis zu mehr Wildnis wiederum ergibt sich aus den neuesten internationalen Erkenntnissen zur Erhaltung der Biodiversität auf der Erde. Der Erhalt der Artenvielfalt kann demnach nur mit Hilfe von ausreichend vielen und großen sowie möglichst vernetzten Wildnisgebieten gewährleitet werden.


Angesichts des (zunächst noch sanften) Drucks der Bundesregierung könnte Baden-Württemberg die in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts schon einmal aktuellen Pläne für einen Nationalpark Nordschwarzwald jetzt wieder aus der Schublade holen, weiterentwickeln und umsetzen. Denn machen wir uns nichts vor: der Nordschwarzwald ist und bleibt die erste Wahl, wenn es um die Einrichtung des ersten Nationalparks in Baden-Württemberg geht.

Kommentar
Es ist schon merkwürdig, auf welch kleiner Flamme das Wildnisthema in Baden-Württemberg gekocht wird. Da sind sich die Experten international schon seit vielen Jahren einig, dass nur die Ausweisung von Wildnisgebieten, die weltweit sinnvoll vernetzt sowie genügend groß sind, den Artenschwund noch stoppen und die Biodiversität auf der Erde erhalten kann. Da fordert das europäische Parlament im Jahr 2009 mit überwältigender Mehrheit die Entwicklung eines Wildniskonzepts für Europa und die rasche Ausweisung genügend großer und über die EU verteilter Wildnisgebiete. Da entwickelt die Bundesregierung in Sorge um den Erhalt der Biodiversität eine Strategie, wonach bis zum Jahr 2020 zwei Prozent der Fläche Deutschlands Wildnis bzw. Wildnisentwicklunggebiet sein sollen. Und da machen fast alle Länder der Erde bei diesem Thema mit, angefangen von Kanada, wo in einigen Provinzen über die Hälfte(!) des Territoriums als Wildnis deklariert werden soll bis zu vielen europäischen Ländern, die mehr und mehr Wildnisgebiete ausweisen. Und in Baden-Württemberg herrscht zu diesem Thema weitgehend Funkstille.

Das mag man wohlwollend noch mit Eigenständigkeit bezeichnen. Eher jedoch scheint es sich hier um eine Provinzposse zu handeln. Dabei kommt einem dieses Handeln bzw. Nicht-Handeln irgendwie bekannt vor. Auch bei den Biosphärenreservaten der Unesco hat sich das Bundesland lange geziert und als eines der letzten Bundesländer ein Biosphärenreservat eingerichtet. Als Demonstration der bundesstaatlichen Souveränität bezeichnet man dieses Schutzgebiet in BW allerdings nicht mit Biosphärenreservat, sondern mit Biosphärengebiet. 

Nationalparks oder andere "Reservate" braucht man in BW nicht. Das war noch vor kurzem die Antwort des zuständigen Ministers auf Anfragen nach einem Nationalpark Nordschwarzwald. Das im Oktober 2009 vorgestellte Alt- und Totholzkonzept für BW kann kein Ersatz für Wildnisflächen sein. Denn die Bestimmung von einigen sogeannnten Habitatbäumen und kleinen Waldrefugien über die forstwirtschaftlich genutzte Waldfläche verteilt entspricht in keiner Weise den internationalen Vorgaben für die Größe und Ausgestaltung von Wildnisflächen. Und es wäre fatal, würde das Alt- und Totholzkonzept BW dafür herhalten müssen, dass man in diesem Bundesland alles mögliche für die Wildnis bereits getan hat.

Seit kurzem gibt es in Baden-Württemberg sowohl einen neuen Ministerpräsidenten als auch eine neue für den Naturschutz zuständige Ministerin. Wäre es nicht ein toller Anlass für die Regierenden, durch das Vorantreiben des Nationalparks Nordschwarzwald international und über die Tagespolitik hinaus an Profil zu gewinnen?          
Der Wildsee mit dem Wildseemoor bei Kaltenbronn befindet sich im Zentrum des in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts geplanten Nationalparks Nordschwarzwald.

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